Reutlinger Generalanzeiger, 12. März 2005



Bewegung - Von der tänzerischen Früherziehung über Tanzspiele bis hin zum klassischen Ballett.
Freude und Befreiung
"Die Seele baumeln lassen


Von allen Künsten, die der Mensch ausübt, ist der Tanz die ursprünglichste. Jeder Affekt macht sich in Bewegung Luft, je stärker die Empfindung, je lebhafter ihr Ausdruck. So schreibt Max von Boehn in seinem Buch »Der Tanz«, das bereits 1925 in Berlin erschien. Bewegung ist natürlich und Bewegung wird bei längerer Wiederholung durch die taktmäßige Form fast automatisch zu einer einfachen Tanzform. Von Boehn schreibt weiter: »Der Tanz löst im Menschen Freude, Befreiung, Begeisterung aus. Der Mensch kann im Tanz seine Seele baumeln lassen und sich dabei und danach sehr wohl fühlen.«
Kinder haben im Alter von vier Jahren die Moglichkeit, in den Kursen der tänzerischen Früherziehung, die als Vorformen zum klassischen Ballett in vielen Privatschulen erteilt werden, diese Erfahrungen zu machen. Darüber hinaus verbessern sie ihre Körperhaltung in kleinen Übungseinheiten, die sehr bildlich vom Pädagogen eingeführt werden. Sie erleben Freude in den rhythmischen Bewegungsgrundarten des Marschierens, Hüpfens, Springens sowie Galoppierens.

Sozial verhalten fördern
Das Kind wird in seinem Sozial verhalten gefördert, da es in festen und freien Formen lernt, mit anderen Tanzkindern zu interagieren. In dieser Entwicklungsphase, die bis zum siebten Lebensjahr andauert, sind darstellende Tanzspiele sehr wichtig für die Persönlichkeitsentfaltung des Kindes. Es lernt so, seine eigene Person wahrzuhehmen und abzugrenzen. Ab dem siebten Lebensjahr kann das Kind die anspruchsvolle Platzierungsarbeit des klassischen Balletts zunehmend umsetzen. Der Unterricht sollte jedoch durch Tanzspiele und improvisatorische Phasen abwechslungsreich bleiben, um die Motivation des Kindes zu garantieren.
Die Ballettorganisation Royal Academy of Dance {RAD} hat in ihren Lehrplänen für Kinder und Jugendliche neben dem Ballett den freien Tanz sowie den Charakteftanz vorgesehen; Charaktertanz ist Bühnenfolklore und wird in Schuhen mit Absätzen und langen Röcken getanzt. Die Kinder haben viel Freude am Erlernen der temperamentvollen Tanzschritte.
Mit dem Einsetzen der Pubertät entdecken die Jugendlichen ihren Körper neu und haben mitunter Probleme, sich in freien Formen auszudrücken. Daher ist es gut, wenn in dieser Phase die körperzentrierende Funktion des klassischen Balletts in den Vordergrund des Unterrichts tritt. Die Jugendlichen spüren seine ausbalancierende Wirkung in ihren Emotionen.
Aufführungen, die von vielen Ballettschulen veranstaltet werden, haben als Ergänzung zum regelmäßigen, möglichst zwei Mal die Woche stattfindenden Unterricht eine motivierende Funktion. Die RAD bietet ihren Schülerinnen und Schülern darüber hinaus die Möglichkeit, erlerntes Ballettvokabular internationalen Prüferinnen vorzuführen und dafür bewertet zu werden.
(Brigitte Stemmler)